Operette von Franz Lehár, Text nach Zapolska von Jenbach und Reichert
uraufgeführt Berlin 1927

Handlung:

Die Abneigung des jungen Zarewitsch vor dem weiblichen Geschlecht bereitet dem Großfürsten, seinem Onkel, Sorgen: "Er turnt, statt zu küssen." Schließlich soll der Thronfolger in naher Zukunft verheiratet werden und damit auch für Nachwuchs sorgen. Mit einer kleinen Intrige, eingefädelt vom Ministerpräsidenten, will man dem Zarewitsch helfen, Gefallen an den Frauen zu finden. Als Tscherkesse verkleidet, wird Sonja, eine junge Tänzerin, in die Gemächer des scheuen Einzelgängers geschmuggelt. Doch der Zarewitsch durchschaut das Vorhaben und will Sonja wieder fortschicken. Sie bietet ihm ihre Freundschaft an und schlägt vor, die Intrige mitzuspielen. Das Täuschungsmanöver gelingt; bald gelten Sonja und der Zarewitsch am Hof als Liebespaar, und der Großfürst ist hoch erfreut über die plötzliche Wandlung seines Neffen. Aus der Freundschaft wird echte Liebe... Schneller als erwartet, trifft die Nachricht von der Ankunft der Prinzessin Miliza ein, der zukünftigen Gattin des Zarewitsch. Sonja muß sofort verschwinden. Aus Angst, den Zarewitsch nie wieder zu sehen, bekennt sie, auf Druck, vor dem Großfürsten, "schon durch viele Hände gegangen" zu sein. So ist das eben bei den "kleinen Tänzerinnen." Als der Zarewitsch sich weigert, Prinzessin Miliza zu empfangen, eröffnet der Großfürst seinem Neffen Sonjas vermeintliche dunkle Vergangenheit.

Sonja beteuert dem aufgebrachten Geliebten ihre Unschuld und deckt die Verleumdung des Großfürsten auf. Der Zarewitsch ist von ihrer Unschuld überzeugt. Um seine Liebe zu retten, flüchtet das Paar nach Neapel. Aber das Glück währt nicht lange. Schnell hat der Großfürst die Flüchtenden ausfindig gemacht und reist ihnen nach. Der Zarewitsch entsagt dem Thron, lieber will er Sonja heiraten. Der Großfürst macht Sonja die Folgen einer solchen Entscheidung klar und appelliert an ihre Verantwortung gegenüber dem Heimatland. Sonja verzichtet schließlich zum Wohl des Volkes auf ihre große Liebe. Eine Depesche bringt die Nachricht vom Tod des Zaren. Der Zarewitsch muß die Thronfolge antreten und sich für immer von Sonja verabschieden.
Zur Geschichte:

Die Geschichte basiert auf einem Bühnenstück der damals häufig aufgeführten polnischen Schriftstellerin Gabriele Zapolska-Scharlitt. Lehár wohnte einer Aufführung im Volkstheater in Wien bei. Die Autorin hielt sich in ihrem Drama weitgehend an historische Tatsachen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Sohn des Zaren, Peter der Große, Alexei Petrowitsch, der aus Furcht vor seinem despotischen Vater in Begleitung eines Pagen nach Neapel floh. Der Page entpuppte sich später als seine Geliebte. Die Flüchtlinge wurden aufgespürt, und das Mädchen bestochen. Im Prozeß sagte sie gegen den Zarewitsch aus. Er starb noch vor seiner Hinrichtung an den Folgen der Folterungen. Reichert und Jenbach veränderten den historischen Hintergrund. Sie interessierte die Leidenschaft und ihre Nichterfüllung, die Sehnsucht und der Verzicht. Sie schufen zwei sich liebende Helden, die zugunsten höherer Ideale das eigene Glück opferten.
Zum Stück:

Der Zarewitsch versucht eine Operettentradition aufzunehmen, die für mich genauso wie die parodistische von Offenbach zur Operette gehört, nämlich die Märchentradition, die Operette als Märchen für Erwachsene. Sonja ist die Aschenputtelfigur aus dem Volke, und ihr Wunsch "einer wird kommen..." ist das Motto für viele Entrées von Operettenheroinen. Im Wolgalied gibt es die Bitte an den Lieben Gott, der da in dem Zusammenhang völlig fremd dasteht, einen Engel zu ihm zu schicken. Und dann das reale Aufeinandertreffen dieser beiden Märchenwünsche, das für mich einfach eine Komik hat, wo der Zarewitsch feststellt, daß der Engel nicht geschlechtslos ist, sondern ein Weib, ein "wonnevolles Weib". Aber das Opfer am Schluß, das der Zarewitsch und Sonja bringen sollen, desavouiert das Märchen, das die ganze Zeit behauptet wird. Denn es ist kein historisches Rußland, das ist ein völlig enthistorisiertes, exotisches Märchenland wie auch Das Land des Lächelns dann später. Für mich ist es ein Projektionsraum, der ganz typisch für diese Zeit ist.
Stefan Frey, Autor der Lehár-Monografie Was sagt ihr zu diesem Erfolg, aus der CD zur Spielplanvorschau 1999/2000 der Volksoper Wien.

Die bekanntesten Lieder:
Es steht ein Soldat am Wolgastrand (Wolgalied)
Einer wird kommen, der wird mich begehren
Kosenden Wellen (Warum hat jeder Frühling ach nur einen Mai)